Video: Die Sitzmeditation – vollständige Version (Barrierefreie Version)
Wenn wir uns für die regelmäßige Ausübung der Sitzmeditation entschieden haben, gönnen wir uns täglich eine Zeit, in der wir nicht unterbrochen werden. Eine Zeit, in der unser Körper zur Ruhe kommt, in der wir unsere Sorgen, unsere üblichen Aufgaben loslassen, eine Zeit, in der wir uns gestatten, ganz einfach bei uns selbst zu sein, so wie wir im jeweiligen Augenblick sind. Eine Zeit, in der wir uns annehmen, ohne uns zu beurteilen, in der wir geduldig, wohlwollend und unbeirrbar die Schwankungen unseres mentalen Zustands beobachten und wahrnehmen, was auftaucht, ohne zu versuchen, irgendetwas daran zu verändern. Wir sitzen auf einem Stuhl, einer Meditationsbank, einem Kissen. Der Rücken ist aufrecht, aber nicht durchgestreckt. Unsere Körperhaltung ist würdevoll. Sie drückt unsere Absicht aus, wach zu bleiben, von Anfang bis Ende unserer Sitzung bewusst in jedem Augenblick präsent zu sein. Spüren Sie die Sitzfläche des Stuhls, des Kissens oder der Bank. Gestatten Sie dem Körper, die Betriebsamkeit hinter sich zu lassen und langsam zur Ruhe zu kommen. Nehmen Sie jetzt wahr, dass Sie atmen, spüren Sie die Luft, wenn sie in Ihren Körper hinein strömt, wenn Sie aus Ihrem Körper hinaus strömt. Vielleicht fällt Ihnen auf, dass sich Ihr Atemrhythmus ändert, wenn Sie die Atmung beobachten, oder dass Sie anders atmen möchten. Zum Beispiel tiefer, regelmäßiger oder langsamer. Gestatten Sie Ihrer Atmung, so gut Sie können, so zu sein, wie sie ist. Lassen Sie Ihre Atmung von selbst atmen. Nehmen Sie wahr, in welchen Körperbereichen Sie den Atem intensiver spüren. Vielleicht am Eingang der Nasenlöcher, vielleicht in der Brusthöhle, die sich beim Einatmen ein wenig öffnet und beim Ausatmen in ihre Ausgangsposition zurückkehrt. Oder vielleicht spüren Sie Ihren Atem stärker im Bauch, an der Bauchwand, die sich beim Einatmen langsam wölbt und beim Ausatmen allmählich in ihre Ausgangsposition zurückkehrt. Wenn es Ihnen stimmig erscheint, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit zur Bauchwand. Spüren Sie Ihre Bauchwand, die sich langsam im Rhythmus des Atems bewegt. Konzentrieren Sie sich auf den Atem in der Endphase der Ausatmung. Und anschließend in der Anfangsphase der Einatmung. Wenn die Einatmung endet und die nächste Ausatmung einsetzt. Konzentrieren Sie sich auf den eventuell vorhandenen Zeitraum zwischen den Atembewegungen, die eine endlose Bewegungsabfolge bilden, ein endloses Wogen. Spüren Sie diesem Vorgang nach. Vielleicht merken Sie, dass Ihr Geist umherschweift, dass er von Körperempfindungen, Gedanken, Emotionen, Geräuschen abgelenkt wird. Wenn Ihnen das bewusst wird, beobachten Sie Ihren abgedrifteten Geist liebevoll und begleiten Sie ihn behutsam zurück zum Atem, von einem Atemzug zum anderen, von Augenblick zu Augenblick. Dieser Atemzug, dann noch dieser. Holen Sie Ihren Geist zurück, so oft es nötig ist. Ihr Atem wird zu einem ständig gegenwärtigen Anker, zu dem Sie immer wieder zurückkehren können. Noch lässt sich Ihr rastloser Geist leicht verunsichern oder vereinnahmen. Doch bald wird er zu einem Ort der entspannten Gegenwart, einem Raum der Sicherheit. Die Vorstellung von der Atmung und das Erleben der Atmung selbst mitsamt den Sinneseindrücken des atmenden Körpers sind zwei verschiedene Dinge. Wir erleben die Atmung auf der Bauchwandebene. Bei dieser Art, den Atem zu beobachten, bemerken Sie vielleicht noch andere Körperempfindungen, die nicht direkt mit der Atmung zusammenhängen: Den Druck, den das Becken auf den Stuhl, das Kissen oder die Bank ausübt, eventuell den Bodenkontakt der Füße, vielleicht ein Gefühl des Unbehagens, der Ungeduld. Wenn es für Sie stimmig ist, erweitern Sie Ihre Erfahrung des Atems auf den ganzen Körper, von den Zehenspitzen bis zum Scheitel. Spüren Sie den Körper in seiner Gesamtheit. Spüren Sie anschließend die auf den Schenkeln liegenden Hände, den Kontakt des Körpers zur Textilie, vielleicht die Luft, die den Körper streift. Spüren Sie den Körper von Augenblick zu Augenblick mit neugieriger und wohlwollender Aufmerksamkeit. Begrüßen Sie jede Wahrnehmung, die in Ihrem Körper auftaucht, ohne daran etwas ändern zu wollen. Wenn Ihnen auffällt, dass Ihr Verstand abschweift, nehmen Sie zur Kenntnis, wohin er abgedriftet ist, und holen Sie ihn liebevoll zurück zur gegenwärtigen Körpererfahrung im jetzigen Augenblick und dann im folgenden Augenblick. Es kann sein, dass sich Empfindungen des Unbehagens oder sogar Schmerzempfindungen einstellen. In Bezug auf die Intensität dieser Erfahrung können wir in diesem Moment zwischen mehreren Möglichkeiten wählen. Sie können sich dafür entscheiden, Ihre Aufmerksamkeit zurück zum Atem zu lenken, wie zu einem Anker. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich für eine behutsame Änderung der Körperhaltung zu entscheiden. Nehmen Sie in diesem Fall Ihre Bewegungsabsicht zur Kenntnis, ändern Sie dann Ihre Körperhaltung, indem Sie Ihre Aufmerksamkeit voll und ganz diesem Wechsel widmen. Sie können auch dieser Empfindung oder diesem Schmerz gestatten, da zu sein, was unserer spontanen Neigung entgegengesetzt ist. Indem Sie ihm Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken und ihn liebevoll erkunden, geben Sie ihm Raum, beispielsweise in der Kreuzbeingegend, im Knie. Lassen Sie das Erleben des Augenblicks zu. Erleben Sie, was Ihnen der Körper in diesem Augenblick sagt. Gestatten Sie der Empfindung, zu sein, was sie ist, selbst wenn sie unangenehm oder schmerzhaft ist. Antworten Sie, indem Sie sich öffnen. Nehmen Sie die Neigung des Geistes wahr, diese Empfindung zu verdrängen. Wenn der Schmerz oder das Unbehagen nachlässt oder verschwindet, lenken Sie die Aufmerksamkeit zur Atmung zurück. Spüren Sie den atmenden Körper von Augenblick zu Augenblick. Genau in diesem Moment kann es sein, dass Ihr Geist abschweift. Nehmen Sie liebevoll zur Kenntnis, wohin er abgeschweift ist, und holen Sie Ihre Aufmerksamkeit neugierig und wohlwollend zurück zum Körper. Spüren Sie den Körper insgesamt oder erkunden Sie ihn, während Sie hier sitzen, gegenwärtig, würdevoll, ganzheitlich, während Ihre neugierige und wohlwollende Aufmerksamkeit der Körperwahrnehmung von Augenblick zu Augenblick gewidmet ist. Ebenso, wie wir unser Erleben auf die Atmung und den ganzen, atmenden Körper erweitert haben, werden wir jetzt die Geräusche in unser Erleben einbeziehen. Alles, was wir hören, die Geräusche, die von außerhalb des Gebäudes kommen oder aus diesem Raum stammen, die ganz nah oder weiter entfernt sind. Unsere Aufmerksamkeit begrüßt wirklich alle diese Geräusche. Geräusche aus dem Innenraum, Geräusche aus uns selbst, aus dem Inneren unseres Körpers, vielleicht das Geräusch der Atmung. Vielleicht bemerken Sie die Neigung des Verstands, die Geräusche zu benennen, zu beurteilen, zu vergleichen, zu kommentieren. Holen Sie den Geist zurück in das direkte Erleben der Geräusche, ihrer Vielfalt, ihrer Intensitäten, oder auch des Abstands zwischen ihnen. Wenn Sie bemerken, dass Ihr Geist ausgehend von einem Geräusch oder jeder sonstigen Störung abschweift, nehmen Sie zur Kenntnis, wohin er abgeschweift ist, und holen Sie ihn liebevoll und unbeirrbar zurück zur Mitte. Öffnen Sie genau in diesem Augenblick das Bewusstsein für das Geräusch. Wenn Gedanken vorüber ziehen, Fragen, Ärger oder Tagträume aufkommen, holen Sie Ihren Geist zurück in die Aufmerksamkeit für die Geräusche, von Augenblick zu Augenblick. Ebenso, wie wir unsere Aufmerksamkeit zu unserem Atem gelenkt und zunächst auf unseren Körper und anschließend auf die Geräusche erweitert haben, dehnen wir unseren Bewusstseinsumfang nun auf die Gedanken aus. Während wir sie bisher als Ablenkungen betrachtet haben, rücken wir die Gedanken nun in den Vordergrund. Wir lassen den Atem, den Körper und die Geräusche in den Hintergrund treten. Ein bisschen so, als würden wir am Ufer eines Flusses sitzen und beobachten, wie Boote aller Art vorbei fahren. Wir betrachten sie neugierig und interessiert und lassen sie vorüberziehen. Erinnerungen, Gedanken an die Zukunft, Pläne schmiedende Gedanken, beunruhigende Gedanken, erfreuliche Gedanken, fantasievolle Gedanken, die mehr oder weniger interessant oder überraschend sind. Ohne uns auf ihren Inhalt einzulassen, beobachten wir sie und lassen sie vorüberziehen. Wir beobachten auch, wie wir mit den aufkommenden Gedanken umgehen, unseren Wunsch, uns auf Sie einzulassen oder sie zu verdrängen, oder unsere Schwierigkeit, uns nicht vereinnahmen zu lassen. Die Gedanken ziehen vorbei. Wir beobachten sie. So viele Vorgänge laufen auf mentaler Ebene ab. Und wenn wir merken, dass wir uns von einem Gedanken haben mitreißen lassen, wenn wir uns in unseren Gedanken verloren haben, nehmen wir das einfach zur Kenntnis und kehren in unsere Beobachterposition zurück. Wenn der Geist zu flatterhaft wird, kehren sie zum gegenwärtigen Augenblick zurück, indem sie die Atmung als Anker nutzen. Die Gedanken gehen und kommen wie Wolken, die über einen blauen Himmel hinwegziehen. Wir fragen uns: „Wo ist mein Geist in diesem Augenblick? Wo ist mein Geist? Wird er von den Gedanken entführt? Oder beobachtet er den Lauf der Gedanken?“ Während Sie die Gedanken beobachten, erkennen Sie vielleicht, dass manche mit Emotionen verbunden sind, mit ruhigen Emotionen, oder vielleicht mit Emotionen wie Ärger, Traurigkeit, Wut, Angst. Erweitern Sie Ihre Aufmerksamkeit, so gut Sie können, um diese Emotionen einzubeziehen. Nehmen Sie zur Kenntnis, in welchem Körperbereich Sie diese Emotionen wahrnehmen. Erspüren Sie, wo im Körper sie verortet sind. Erspüren Sie ihre Intensität im Körper. Vielleicht handelt es sich dabei nicht um Ihr Gefühl, sondern um Ihr momentanes Erleben, so wie es sich Ihnen darstellt. Nutzen Sie die Atmung wie einen Anker, um die Aufmerksamkeit neu auszurichten, wann immer die Gefühle schwierig erscheinen. Begegnen Sie der Erfahrung dieser Emotionen mit Neugier. Öffnen Sie sich behutsam. Erkunden Sie Ihre Gefühle. Nähern Sie sich ihnen und gestatten Sie ihnen, so zu sein, wie sie sind. Beobachten Sie das Aufsteigen der Emotion. Beobachten Sie ihr Abflauen mit ungeteilter Präsenz, jetzt, in diesem Augenblick. Wir öffnen unseren Bewusstseinsumfang für alles, was sich spürbar einstellt: Atem, Körperempfindungen, Geräusche, Gedanken, Emotionen, Räume. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit zurück zum Erleben des Augenblicks, zur zugewandten Aufmerksamkeit. Wir begrüßen das Erleben. Es vollzieht sich von Augenblick zu Augenblick. Bleiben Sie in Kontakt mit dem, was tief in Ihnen verborgen ist. Als ganzer Mensch mit zugewandter und wohlwollender Präsenz. Diese Meditationssitzung nähert sich ihrem Ende. Wir dürfen uns bei uns selbst dafür bedanken, dass wir uns Zeit geschenkt haben, um gegenüber dem sich ereignenden Leben voll und ganz präsent zu sein. Nun nehmen wir uns Zeit, um in unserem eigenen Rhythmus zur Betriebsamkeit zurückzukehren.