Video: Erfahrungsbericht des Angehörigen einer Krebspatientin (barrierefrei)
Ich heiße Stéphane Vallé und bin 36 Jahre alt. Meine Frau hat Brustkrebs.
Wie haben Sie auf die Brustkrebsdiagnose Ihrer Frau reagiert, und waren Sie bei der Mitteilung anwesend?
Nun, als wir vor viereinhalb Jahren von der Diagnose erfuhren, hat uns das wirklich umgehauen. Im Alter von 28 Jahren erkrankte meine Frau plötzlich an Krebs. Darauf waren wir nicht wirklich vorbereitet. Ja, bei der Mitteilung war ich dabei. Zunächst kommen viele Fragen auf. Viele Gefühle vermischen sich: Wut, weil man nicht weiß, woher es kommt, wie es entsteht. Man wird von einer Gefühlsflut überwältigt, sodass man sich während der ersten Stunde nach der Diagnose auf einem anderen Planeten befindet. Als der Druck allmählich nachließ, versuchten wir, rational an die Situation heranzugehen. In unseren Köpfen war ein einziger Wirrwarr, und wir brauchten Antworten auf unsere Fragen. Man muss die Diagnose verarbeiten und nach vorn schauen. Doch natürlich handelt es sich gewissermaßen um ein unabwendbares Schicksal. Man muss es annehmen und das Beste daraus machen.
Worin bestanden Ihre Ängste, Ihre Befürchtungen?
Nach der Diagnose und der ganzen Gefühlsflut, die mit einem Schlag hervorbricht, stellen sich unterschiedliche Ängste und Befürchtungen ein. Sobald sich die Gefühle einigermaßen ordnen, tauchen Fragen auf. Und bei mir war vor allem die Angst vorherrschend. Wir haben Kinder, deshalb gab es die Angst vor der Reaktion der Kinder. Plötzlich steht das Wort Krebs im Raum. Man fürchtet, damit überfordert zu sein, weil man nicht weiß, wie es weitergeht und was einen erwartet und deshalb eine ungewisse Zukunft vor sich hat Das bringt alles ins Wanken, und bei uns kommt hinzu, dass wir Kinder haben, deshalb stellt sich unweigerlich die Frage: Wie kommen wir zurecht, wenn Mama nicht da ist? Es entsteht eine Gedankenschleife, und es stimmt, dass die Angst allgegenwärtig ist, doch man muss sie bezwingen. Man muss versuchen, für jede Angst oder Befürchtung Mikrolösungen zu finden.
Wie wirkte sich die Diagnose auf Ihre Partnerschaft aus?
Die Paarbeziehung verändert sich vollkommen. Wenn dieses Damoklesschwert über einem schwebt, erlebt man die Partnerschaft plötzlich ganz anders. Man wird aufmerksamer. Es ist, als würde sich gegenüber der Partnerin ein zusätzliches Gefühl der Zärtlichkeit einstellen. Man wird empathischer, und erkennt, was wirklich zählt. Früher hatten wir tatsächlich unsinnige, kleine Streitereien, so nach dem Motto: „Was schauen wir heute Abend im Fernsehen an?“ Und so weiter. Das sind Nebensächlichkeiten, die man vergisst, man besinnt sich auf das Wesentliche, man wird aufmerksamer, und plötzlich weiß man die gemeinsame Zeit noch mehr schätzen. Man kostet sie aus, und ich könnte sagen, dass man sich vielleicht sogar noch ein bisschen mehr verliebt.
Wie haben Sie sie während ihrer Therapie begleitet?
Also, ich habe meine Frau begleitet, indem ich einfach für sie da war. Im Grunde geht es darum, da zu sein. Für mich bedeutete das, dass ich meine Urlaubszeiten anpassen musste, damit ich in den schwierigen Phasen, also wenn die Behandlungen stattfanden, da sein konnte. Es kommt darauf an, für die betroffene Person stark zu sein, damit sie jemanden hat, bei dem sie sich ausruhen kann. Und es gibt viele Kleinigkeiten, die wichtig sind. Ich möchte das mit einem kuriosen Beispiel veranschaulichen: Als sie mit der Behandlung begann, habe ich noch geraucht. Doch der Anfang der Chemotherapie war schwierig für sie. Also sagte ich: „Ok, ich höre auf zu rauchen.“ Ich trage meinerseits etwas dazu bei, selbst wenn es keinen direkten Zusammenhang gibt. Doch, wenn du eine Herausforderung bewältigen musst, bewältige ich auch eine Herausforderung auf meine Weise, um dich zu begleiten. Während der gesamten Therapie für die betroffene Person da zu sein, ist die Hauptsache.
Weitere Angstgefühle werden aufkommen, und man muss für seine Partnerin da sein, für die betroffene Person, um sagen zu können: „Ok, warte, ich glaube zu wissen, was du brauchst, und ich werde die Frage für dich stellen.“ Die Person zu begleiten, heißt auch, Dinge zu fühlen, und es gibt Momente, in denen die Person hilflos ist, und dann kommt es darauf an, da zu sein, um die Fragen für sie zu stellen. Diese Art von Unterstützung ist total wichtig, dann steht man es gemeinsam durch, und die betroffene Person muss nicht allein gegen die Krankheit ankämpfen. Es ist eine widerliche Krankheit. Und deshalb ist die Anwesenheit des Ehepartners, der Angehörigen meiner Ansicht nach unverzichtbar. Auf diese Weise haben wir es geschafft. So kann man über den Dingen stehen und nach vorn schauen, um stärker zu sein als die Krankheit.
Wie haben Sie es Ihren Angehörigen mitgeteilt?
Wir sind von Anfang an transparent mit der Diagnose umgegangen. Meine Frau und ich sind von Natur aus sehr transparent. Wir verstecken die Dinge nicht. Ich weiß nicht, ob das die richtige Lösung ist. Doch einerseits gibt es sichtbare Anzeichen, wie z. B. Haarausfall oder Ähnliches. Und andererseits besteht meine Philosophie immer darin, über alles zu reden. Der jeweilige Ansprechpartner kann Ihnen Empfehlungen geben, auch wenn er nicht selbst betroffen ist. Offenheit tut gut. Es wirkt wie eine Therapie, mit seinem Umfeld darüber zu reden. Deshalb denke ich, dass man die Dinge nicht für sich behalten darf, man muss sich mitteilen. Immer wieder werden sich Mikrolösungen eröffnen. Zum Beispiel hat die Schwiegermutter die Kinder betreut, sodass ich mich meiner Frau widmen konnte. Ich glaube, dass man sehr transparent sein muss, und das gilt umso mehr, wenn man wie wir Kinder hat. Meine Priorität in der Erziehung besteht darin, die Wahrheit zu sagen und nicht zu lügen.
Nach der Diagnose gab es verschiedene Phasen: Chemotherapie, Strahlentherapie, Haarausfall. Und das sind Dinge, die nicht spurlos an den Kindern vorüber gehen. Wir bereiteten sie darauf vor, redeten mit ihnen und schenkten Ihnen Zuwendung. Falls sie Albträume hatten, konnten sie uns davon erzählen, selbst, wenn es zunächst keinen offensichtlichen Zusammenhang zu Mamas Krankheit gab. Man muss allen mit Aufmerksamkeit begegnen und transparent sein, vor allem gegenüber den Kindern. Man kann ein Kind nicht belügen, denn es wird die Wahrheit spüren und die Dinge erkennen. Dasselbe gilt für das nahe Umfeld, man muss die Dinge beim Namen nennen. Man darf sich einfach nicht verstecken. Die Krankheit ist da. Sie wird nicht verschwinden, indem man sie verschweigt. Deshalb haben meine Frau und ich allen, die sich erkundigt haben, die Wahrheit gesagt.
Haben Sie persönlich Unterstützung erhalten, um diese schwierige Situation bewältigen zu können?
Die Unterstützung kam schrittweise, denn meine Frau erkrankte mit 28 an Krebs, das ist sehr früh. Es gab keine Mammographie. In diesem jungen Alter ist eine solche Krankheit eher unüblich. Am Anfang war es ein wenig unklar, doch allmählich, nach der Betreuung durch verschiedene Ärzte, wurde die Unterstützung immer besser, und vor allem mit den Kindern ließ man uns nicht allein. Ein Psychologe erklärte ihnen die Krankheit und ihre Folgen. Gruppengespräche für Ehepartner boten Raum für einen Erfahrungsaustausch. Und dann waren da die Pflegefachkräfte, der Onkologe, der Radiologe. Meine Frau erhielt immer Unterstützung und vor allem Antworten auf ihre Fragen. Dasselbe galt für mich, wenn ich Fragen hatte, die ich nicht unbedingt meiner Frau stellen wollte. Die Gruppengespräche waren eine Gelegenheit, sich „unter Männern“ Fragen zu stellen und vergleichbare persönliche Erfahrungen auszutauschen.
Wenn Sie anderen Betroffenen Empfehlungen erteilen müssten, wie würden sie lauten?
Also, die Empfehlung, die ich weitergeben möchte, lautet: Da sein. Ich persönlich denke, dass es für meine Frau sehr wichtig war, dass ich da war, um sie während ihrer gesamten Therapie zu unterstützen und ihr zu helfen.
Ein zweiter wichtiger Punkt besteht darin, ein normales Leben zu führen und zugleich die Krankheit ernstzunehmen, so paradox das klingt. Man muss weiterleben und normal seinem Beruf nachgehen. Sich sagen, dass das Leben weitergeht, und nach vorn schauen. Doch andererseits muss man das Vorhandensein der Krankheit ernst nehmen und berücksichtigen, dass die betroffene Person weniger belastbar ist. In meinem Fall bedeutete das, dass es Zeiten gab, in denen ich mich mehr um die Kinder kümmern musste.
Man muss der betroffenen Person zeigen, dass die Welt nicht untergeht, und normal weiterleben.
Wie betrachten Sie das Leben nach dieser Herausforderung? Wie gehen Sie heute damit um?
Man muss mit allem rechnen, denn es ist immer noch nicht überstanden. Die regelmäßigen Untersuchungen gehören zu unserem Leben, das gilt sowohl für meine Frau als auch für mich. Doch wir genießen jeden Augenblick, wir bemühen uns, nach vorn zu schauen Wir schauen nach vorn. Und wir haben ja Kinder. Wir können es uns nicht erlauben, einfach die Hände in den Schoß zu legen. Das muss man sich klar machen. Man darf es nicht vergessen, es wird nicht von heute auf morgen verschwinden. Es wird immer Kontrolluntersuchungen geben, das gehört zu unserem Leben, damit müssen wir uns abfinden. Und außerdem jeden Augenblick genießen.
Deutsch (Humanübersetzung)