Video: Sturzunfälle im Alter: Ein paar Empfehlungen (barrierefreie Version)
Der Sturz eines alten Menschen ist tatsächlich eine ziemlich häufig eintretende Situation und gehört deshalb zu den geriatrischen Hauptsyndromen. Etwa 50 % der Über-80-Jährigen stürzen mindestens einmal pro Jahr. Wenn ein Mensch innerhalb eines Jahres mindestens zweimal oder öfter gestürzt ist, spricht man von wiederholten Sturzunfällen. Das kommt letztlich sehr oft vor. Das Problem sind die Sturzfolgen, die sich im günstigsten Fall auf harmlose Blutergüsse beschränken, aber auch ernsthafte, traumatische Verletzungen darstellen können: Schädel-Hirn-Trauma, Hirnblutung oder sogar eine Hüftfraktur, die einen operativen Eingriff erfordert. Wir haben es also mit einer ganzen Bandbreite an möglichen Folgen zu tun. Doch die Besonderheit bei alten Menschen besteht, abgesehen von einer erhöhten Anfälligkeit, die sie naturgemäß aufweisen und die ein erhöhtes Risiko für orthopädische Schädigungen bewirkt, im sogenannten Post-Fall-Syndrom, das die psychischen Folgen umfasst, d. h. die Angst vor einem weiteren Sturz und vor den Einschränkungen, die er mit sich bringt, wie z. B. Isolation, Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit, und die das Leben der betagten Patienten vollkommen umkrempeln können. Zur Veranschaulichung beschreibe ich immer folgendes Szenario: Ein Mensch, der allein lebt, stürzt eines Abends auf den Fliesen seiner Küche, bricht sich die Hüfte und bleibt die ganze Nacht auf dem Fußboden liegen. Er hat keinen Hausnotruf. Er hat kein Mobiltelefon. Er kann niemanden rufen und ist allein. Vielleicht bemerken die Nachbarn am nächsten Tag, dass die Rollläden nicht hochgezogen wurden, sodass sie sich fragen, ob etwas passiert ist. Sie sehen nach. Sie rufen den Rettungsdienst, und er wird gefunden. Doch stellen Sie sich vor, 12 Stunden, 24 Stunden auf dem Fußboden zu verbringen, ohne um Hilfe rufen zu können und zu denken: „Ich muss sterben.“ Also haben wir es hier mit einem echtem Trauma zu tun. Der Gedanke „Ich muss allein und auf dem Fußboden liegend sterben“ stellt einen gravierenden Einschnitt auf einem Lebensweg dar. Selbstverständlich ist nicht jede Sturzsituation so dramatisch. Doch wenn es so ist, müssen wir das erkennen und die Patienten gut betreuen, damit sie sich von diesem Schock erholen können. Die chirurgische Behandlung der körperlichen Unfallfolgen ist wichtig, doch ebenso wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass das Ereignis kein unüberwindliches, psychisches Trauma hinterlässt. Also sind die Folgen sehr vielfältig. Deshalb muss festgestellt werden, ob mehr als zwei Sturzunfälle pro Jahr eingetreten sind. Wenn das zutrifft, haben wir es mit wiederholten Sturzunfällen zu tun. Dann darf der Arzt den Sturz nicht unterschätzen. Er muss nach den Ursachen suchen und vor allem das Risiko des Post-Fall-Syndroms ernst nehmen.