„Der Beginn meiner Existenz als Papa…“

„Es ist erstaunlich, dass die Nachricht von der bevorstehenden Vaterschaft nicht immer die Reaktionen auslöst, die man normalerweise erwarten würde, zumindest war das bei mir so. Natürlich war ich sehr glücklich… Aber ich verfiel nicht Ekstase, wie ich es mir vorgestellt hatte. Eigentlich befand ich mich in einer Erwartungshaltung. Der Bauch meiner Frau hatte sich äußerlich noch nicht verändert, dennoch erfasste sie bereits das Ausmaß der Verwandlungsprozesse, die sich in ihr abspielten. Obwohl ich sie zu allen wichtigen Anlässen und zu jeder Ultraschalluntersuchung begleitete, obwohl ich an allen Geburtsvorbereitungskursen teilnahm und an der Geburtsplanung mitwirkte, gelang es mir nicht, diese Leere zu füllen. Mitunter war ich sogar eifersüchtig auf meine Frau, die das Glück hatte, die Entstehung unseres Kindes im eigenen Leib zu fühlen, während mir nichts anderes übrig blieb, als diese Schwangerschaft theoretisch zu erleben. Bis zum sechsten Monat beschäftigten mich solche Auseinandersetzungen. Dann tauchte eine Haptonomistin in unserem Leben auf. Mit ihrer Hilfe konnte ich endlich meine Rolle und meine Existenz als Vater konkret wahrnehmen. Und das lange bevor ich unser Kind wirklich in meinen Armen hielt. Plötzlich gehörte ich zum Leben unseres Kindes. Es reagierte, wenn ich zu ihm Kontakt aufnahm. Und vor allem war ich der Einzige, auf den es in dieser Weise reagierte. Schon jetzt war ich sein Papa. Im 8. Monat erfuhren wir, dass es sich in einer Beckenendlage, nämlich in der Knie-Fuß-Lage, befand, sodass ein Kaiserschnitt für uns die einzige Lösung darstellte. Für meine Frau war diese Neuigkeit hart, denn sie hatte sich gewünscht, unser Kind so natürlich wie möglich auf die Welt zu bringen. Deshalb haben wir unser Kind sehr liebevoll gefragt, ob es vielleicht seine Position verändern möchte. Eines Abends, 8 Tage vor dem vorgesehenen Entbindungstermin, während einer außergewöhnlichen Übung, als ich es ganz einfach aufforderte, meiner Hand zu folgen, geschah etwas… Es war unglaublich… Wir waren ihm sehr nahe… Es war da… Nur sein sichtbarer Körper fehlte noch.

Als am nächsten Tag die letzte Ultrasachalluntersuchung zeigte, dass es sich gedreht hatte und dass die vaginale Entbindung möglich war, begriffen wir, begriff ICH, wie sehr wir bereits zusammen gehörten.

Unser Sohn erblickte problemlos das Licht der Welt, in Beckenendlage, durch eine vaginale Entbindung. Er wurde von seiner kämpferischen Mama geboren. Während meine Frau versorgt werden musste, verließ ich den Raum zusammen mit der Pflegekraft, die unser Kind trug. Es weinte ununterbrochen. Ich bat sie, es mir zu geben, und endlich hielt ich es in meinen Armen… Ich legte ihm behutsam eine Hand in den Nacken und die andere unter das Gesäß und sagte ihm: „Ich bin bei dir… Hier ist Papa.“ Dann hörte es auf zu weinen… Und es öffnete zum ersten Mal seine Augen. Die Pflegekraft sagte: „Wie erstaunlich, man könnte meinen, er schaut Sie an…“ „Nein! Man könnte es nicht bloß meinen… Er schaut mich wirklich an! Er weiß, wer ich bin.“

Julien