Definition

Eine drohende Frühgeburt wird folgendermaßen definiert:

Auftreten von Gebärmutterkontraktionen und/oder Veränderungen des Muttermundes nach 22 bis 36 Wochen und 6 Tagen nach Ausbleiben der Regelblutung, die zu einer vorzeitigen Geburt führen, wenn keine Behandlung erfolgt

Dabei handelt es sich um einen der Hauptgründe für eine stationäre Behandlung schwangerer Frauen.

Anzeichen und Symptome

  • Unterleibs-/Beckenschmerzen
  • Gebärmutterkontraktionen
  • Flüssigkeitsaustritt (Blut, Fruchtwasser)

Risikofaktoren

Risikofaktoren der Mutter:

  • Ethnie (16 % bei schwarzen Frauen, 8 % bei weißen Frauen)
  • sozioökonomische Situation (alleinstehende Frau, niedriger sozioökonomischer Status, Stress, schwere Arbeit, Geschäftsfrau…)
  • Alter (< 20 Jahre und > 40 Jahre)
  • Anorexie, Adipositas
  • Abhängigkeit (Tabak, Drogen…)
  • Depression

Medizinische Risikofaktoren:

  • Infektionen der Mutter
  • Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Asthma

Schwangerschaftsbedingte Ursachen

  • Mehrlingsschwangerschaft
  • atypische Lokalisation der Plazenta (Plazenta praevia)
  • Fruchtwasserüberschuss (Polyhydramnion)
  • Gebärmutterfehlbildungen
  • vorzeitige Verkürzung des Gebärmutterhalses (Zervixinsuffizienz)
  • Frühgeburten, Spätaborte in der Vorgeschichte
  • in geringem Abstand aufeinanderfolgende Schwangerschaften (6 Monate bis 1 Jahr)

Risiken

Das Hauptrisiko der drohenden Frühgeburt besteht in einer vorzeitigen Geburt.

Die ergriffenen Maßnahmen hängen von der Situation ab:

  • 32 bis 36. Schwangerschaftswoche: Aufenthalt auf einer Station für Risikoschwangerschaften in einer Klinik mit einer Abteilung für Neonatologie (HRS oder CHL) und Einleitung einer Behandlung, die dem Schweregrad des akuten Frühgeburtsrisikos entspricht
  • vor der 32. Schwangerschaftswoche: bei erhöhtem bzw. nicht stabilisiertem Frühgeburtsrisiko In-Utero-Verlegung in das Klinikzentrum Luxemburg (CHL)

Wenn die Aufnahmekapazitäten der Abteilungen für Neonatologie erschöpft sind, muss eine Verlegung in eine geeignete Einrichtung im Ausland in Betracht gezogen werden.

Diagnostik

Die Diagnose wird mithilfe folgender Methoden gestellt:

  • Kardiotokographie (CTG): Ermittlung der Gebärmutterkontraktionen (Häufigkeit, Intensität…), Überprüfung der fetalen Herzfrequenz sowie der aktiven fetalen Bewegungen
  • Klinische Vaginaluntersuchung: Einschätzung der Gebärmutterhalsentwicklung (Stand, Beschaffenheit, Länge, Öffnung des Muttermundes, fetaler Höhenstand)
  • Ultraschalluntersuchung des Gebärmutterhalses: Messung der Gebärmutterhalslänge
  • PartoSure Test: Er ermittelt ein Plazenta-Protein bei Patientinnen, die Anzeichen und Symptome vorzeitiger Wehen aufweisen, und ermöglicht eine bessere Einschätzung des Risikos einer unmittelbar bevorstehenden Frühgeburt.

Aufnahmebefund

Allgemeine Anamnese

Klinische Untersuchung: Temperatur, Blutdruck, Puls, Gewicht, Größe, VAS

Geburtsmedizinische Untersuchung:

  • Palpation der Gebärmutter (Sensibilität, Anspannung)
  • Symphysen-Fundus-Abstand, aktive fetale Bewegungen, Gebärmutterkontraktionen
  • klinische Vaginaluntersuchung und Abklärung eines vorzeitigen Blasensprungs, falls Zweifel bestehen
  • CTG
  • Ultraschalluntersuchung des Fötus
  • Ultraschalluntersuchung des Gebärmutterhalses

Laborbefunde:

  • vollständige Blut- und Urinuntersuchung
  • Vaginalabstriche

Behandlungsmethoden

Ziele der Behandlung bei drohender Frühgeburt:

  • die Entbindung so lange wie möglich hinauszögern
  • die Komplikationsrisiken für das frühgeborene Baby verringern

Die Erstlinientherapie umfasst Folgendes:

  • Einleitung einer Tokolyse (Wehenhemmung):
    • auf oralem Weg: Calciumantagonisten (Nifedipin)
    • intravenös: Oxytocinantagonisten (Atosiban)

Ergänzende Behandlungsmethoden: Je nach Situation

  • Unterstützung der fetalen Lungenreifung durch Kortikoidtherapie
  • Fetale Neuroprotektion bei unmittelbar bevorstehender Entbindung (</= 31 Schwangerschaftswochen und 6 Tage): Verabreichung von Magnesiumsulfat
  • Einsatz eines Zervixpessars oder einer Zervixcerclage
  • Ruhe
  • Prävention der Thrmboembolie-Risiken (z. B. Kompressionsstrümpfe, Thromboseprophylaxe)
  • Einnahme von Antibiotika: nicht systematisch, unter Berücksichtigung der Befunde
  • Die Versorgung durch den Gynäkologen in Zusammenarbeit mit dem Neonatologen wird durch das multidisziplinäre Team ergänzt: Psychologe, Sophrologe, Ernährungsberater, Sozialarbeiter, Gesundheitsberaterin, Physiotherapeutin.

Überwachung während des Klinikaufenthalts

  • täglich:

Bewertung der Effizienz und Verträglichkeit der Behandlung, CTG, Überprüfung der Vitalparameter

  • einmal pro Woche:


Labortests (einschließlich Infektionsmarker), Abstrich (zur Abklärung einer bakteriellen Vaginose), Urinuntersuchung, Gewichtskontrolle.

  • einmal / ein- bis zweimal pro Woche:

Ultraschalluntersuchung des Fötus und des Gebärmutterhalses, bei Bedarf klinische Vaginaluntersuchung

Praktische Empfehlungen

  • sich ausruhen
  • keine schweren Lasten tragen
  • die Fortbewegung begrenzen
  • sich durch angenehme Beschäftigungen ablenken
  • die Besuche von Verwandten und Freunden über den Tag verteilen, um Ruhepausen zu gewährleisten
  • ohne Zögern den medizinischen Fachkräften Fragen stellen und Termine bei den Mitgliedern des multidisziplinären Teams einfordern

Glossar

  • In-Utero-Verlegung: Verlegung einer schwangeren Frau von einer Entbindungsklinik in   eine andere aufgrund einer Erkrankung der Mutter oder des Fötus,   die eine zeitnahe Behandlung in einer entsprechenden Einrichtung   erfordert.
  • Urinuntersuchung: Zytobakteriologische Untersuchung des Harns. Diese Untersuchung ermöglicht die Bestätigung oder den Ausschluss eines Harnwegsinfekts.
  • VAS: Die visuelle Analogskala gleicht einem in verschiedene Abschnitte gegliederten Lineal. Sie wird zur Einschätzung der Schmerzintensität verwendet.
  • Tokolyse: Behandlung durch ein Arzneimittel, das Gebärmutterkontraktionen hemmt.
  • Zervixpessar: Biegsamer Silikonring, der in mehreren Größen erhältlich ist und tief in die Scheide eingeführt wird, um den Gebärmutterhals zu umschlingen. Der Einsatz ist ein medizinischer Eingriff, der keine Anästhesie erfordert.
  • Zervixcerclage: Einsatz eines nicht resorbierbaren, umhüllten Fadens in die Wand des Muttermundes, um ihn verschlossen zu halten. Auf diese Weise wird die Öffnung des Muttermundes während der Schwangerschaft verhindert. Am Ende der Schwangerschaft wird der Faden entfernt, um die Entbindung zu ermöglichen.