Wie hilft man einem depressiven Angehörigen?
Familienmitglieder und Freunde glauben häufig, der depressive Mensch könnte seinen Zustand überwinden, „wenn er es nur wirklich wollte“.
Doch man sollte nie vergessen, dass es sich bei der Depression um eine echte Krankheit handelt und nicht um eine Entscheidung des Patienten. Es ist wichtig, dass Angehörige verstehen, wie schwierig es ist, sich dem Einfluss der Depression zu entziehen. Dann fällt es ihnen viel leichter, diese Situation zu akzeptieren und zu ertragen.
Um wirklich helfen zu können, sollte man sich über die Depression informieren, und ihre Symptome, ihre Ursachen und die Behandlungsmöglichkeiten kennen.
Eine grundlegende Voraussetzung ist die Betrachtung des Betroffenen als vollwertige Person, die in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Falls sein Zustand dies nicht zulässt, sollte er so intensiv wie möglich in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden.
Man hilft dem anderen nicht, indem man an seiner Stelle entscheidet und ihn bevormundet.
Richtiges Helfen
Der depressive Mensch ist sehr häufig mit unterschiedlichen Verlusten konfrontiert: Eventueller Arbeitsplatzverlust, Verlust seiner Rolle in der Partnerschaft, der Familie, Einschränkung seiner Selbstständigkeit, Verlust an Selbstvertrauen… Alle diese Verluste sind schwer auszuhalten und können Wut, Frustration und einen Rückgang des Selbstwertgefühls usw. auslösen.
Helfen heißt vor allem zuhören, da sein, Verständnis zeigen, wohlwollend unterstützen, beruhigen.
Es ist wichtig, Worte mit Bedacht zu wählen, denn sie können beim Betroffenen erhebliche Auswirkungen haben. Es wird dringend empfohlen, Aufforderungen wie z. B. „Streng dich an“, „Gib dir einen Ruck“, „Zeige guten Willen“ zu unterlassen.
Moralisierende Reden sind nicht angebracht und verstärken nur die Minderwertigkeits- und die Schuldgefühle.
Außerdem können derartige Sätze bewirken, dass der Betroffene den ersten Schritt des Heilungsprozesses, der in der ANERKENNUNG und ANNAHME der Krankheit besteht, hinauszögert.
Sätze wie „Du hast alles, um glücklich zu sein“, „Es gibt keinen Grund, traurig zu sein“, werden als Zeichen des Unverständnisses und der Nichtanerkennung des vom depressiven Menschen empfundenen Leids aufgefasst.
Dieser Eindruck von Unverständnis, der die Schuldgefühle in Bezug auf die Krankheit verstärkt, kann sich erschwerend auf die Depressionssymptomatik auswirken und Suizidgedanken fördern.
HELFEN heißt auch, die Entwicklungen im Verhalten des depressiven Menschen beobachten:
- Gegenüber sich selbst: Körperwahrnehmung, Hygiene, Aussehen, Appetit.
- Gegenüber anderen: Schweigsamkeit, Rückzug in sich selbst, Aggressivität, Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit, Verringerung oder Einstellung der Aktivitäten.
- Gegenüber der medizinischen Versorgung: Unregelmäßige Einnahme der Arzneimittel, unzureichende Einhaltung der Behandlungsmaßnahmen, Ablehnung oder ambivalente Haltung gegenüber der Behandlung
- In Bezug auf das Verlassen der Wohnung: Schwierigkeiten, zur Arbeit zu gehen, Aufgabe der Freizeitbeschäftigungen, Abschottung zuhause, Abweisung der Freunde.
- In Bezug auf den Alltag: Schwierigkeiten oder Weigerung, die Hausarbeit zu erledigen, Vernachlässigung der Wohnung
HELFEN heißt, nichts persönlich zu nehmen. Der depressive Mensch leidet. Es kann vorkommen, dass er verletzende Worte oder Sätze ausspricht, weil er von bestimmten Gefühlen überwältigt ist: Vor allem von Traurigkeit. Es ist wichtig, sich solche Worte nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen.
Helfen heißt, sich in Geduld zu üben. Die Fortschritte vollziehen sich manchmal langsam, sehr langsam.
Helfen heißt, die Hilfe zu bieten, die Sie zu geben bereit sind, und dem Betroffenen zugleich einen Teil Selbstbestimmung zu lassen. Helfen heißt, dem anderen die Hilfe zu bieten, die er anzunehmen bereit ist. Es heißt, mit gutem Beispiel voranzugehen (den Betroffenen zu einer gesunden Lebensführung ermutigen), ihn eventuell bei bestimmten Aktivitäten zu begleiten, ihn zu einem Termin zu bringen, seine Einkäufe zu erledigen, seine Kinder von der Schule abzuholen…
Helfen heißt, sich in unerschütterlichem Vertrauen zu üben: Zeigen Sie dem Betroffenen, dass Sie an ihn und an seine Fähigkeit zur Genesung glauben.
Helfen heißt, die eigenen körperlichen, psychischen und materiellen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren, um Überforderung zu vermeiden.
Helfen heißt, dem Betroffenen den Besuch seines Hausarztes, Psychiaters, Therapeuten zu empfehlen. Das bedeutet, ihn zur Einhaltung oder Fortsetzung seiner Behandlung aufzufordern.
Helfen heißt, sich nicht davor zu fürchten, Suizidgedanken anzusprechen.
Die Heilung ist ein persönlicher Prozess, den der Betroffene durchlaufen muss.
Es folgen ein paar Sätze und positive Haltungen, die für den depressiven Patienten hilfreich sind:
Ausdruck von Verständnis und Annahme:
- „Ich verstehe, dass Du keine Lust auf viel Bewegung hast.“
- „Ich respektiere deinen Wunsch, Deine Ruhe zu haben und auf Sparflamme zu leben, aber ich bin jederzeit bereit, mit Dir etwas zu unternehmen.“
- „Es ist nicht deine Schuld. Du bist nicht verantwortlich für das, was dir widerfährt.“ Wir sind alle bei dir, um dir zu helfen, die Krankheit zu überwinden, und du wirst sie überwinden.“
Ausdruck von Unterstützung:
- „Ich werde dir helfen, die erforderlichen Maßnahmen bei deinem Arbeitgeber und bei der Krankenkasse einzuleiten, du kannst auf mich zählen.“
- „Ich bin bereit, dir zuzuhören, wenn du reden möchtest, oder bei dir zu bleiben, ohne zu reden, wenn dir das lieber ist. Wir alle wollen, dass du gesund wirst.“
Beruhigende Haltungen:
- „Es ist schwer, was du gerade durchmachst, aber deine Krankheit ist heilbar. Du musst zum Arzt gehen.“
- „Du bist müde, lustlos, es fällt dir im Moment schwer, etwas zu unternehmen. Das ist eine schwierige Phase, aber wir werden dir helfen, sie zu überwinden.“